Rheinstetten – Vecsés
Die Beziehungen zwischen Vecsés und Rheinstetten gehen auf das Jahr 1990 zurück. Genauer gesagt haben wir den ersten Schritt bereits 1989 gemacht, als wir einen Fragebogen ausgefüllt haben, den uns der damalige Verband der Ungarndeutschen zukommen ließ. Diese Umfrage hatte das Ziel, die auch von Ungarndeutschen bewohnten Gemeinden zu erheben, die gerne Kontakte zu Ortschaften in Baden-Württemberg aufnehmen würden. Die Liste der Bewerber wurde im Bundesland bekannt gegeben.
Im Sommer 1990 haben der Bürgermeister und der Vizebürgermeister von Rheinstetten drei Ortschaften in Ungarn besucht. Sie kamen nach Zirc, Siklós und Vecsés. Diese drei Ortschaftsnamen haben sie der in Deutschland erschienenen Broschüre mit den Ergebnissen der obigen Umfrage entnommen. Überraschenderweise fiel ihre Wahl auf uns. Als Vorteil wurden erkannt, dass Vecsés in der Nähe der Hauptstadt liegt, dass die Ortschaft sowohl mit dem Auto als auch mit der Bahn leicht zu erreichen ist, und dass der Flughafen in der Nachbarschaft von Vecsés liegt. Andererseits hat Vecsés beinahe die gleiche Einwohnerzahl wie Rheinstetten. In der Schule wird das Deutsche als Nationalitätensprache unterrichtet, und noch viele sprechen es auch.
Die ersten drei Jahre stellten die Periode des Bekanntwerdens dar. Es kam zu gegenseitigen Besuchen zwischen den Vorgesetzten der beiden Ortschaften und zum Austausch unserer Blaskapellen. Aus Rheinstetten und Umgebung unternahm man gerne Ausflüge mit Bussen nach Ungarn. Diese Ausflüge wurden von Frau Lang, der Frau des stellvertretenden Bürgermeisters organisiert. In das Programm der einwöchigen Reisen wurde jedes Mal auch ein Besuch in Vecsés aufgenommen. Die Gäste haben wir mit einem Kulturprogramm empfangen, anschließend verzehrten sie das Abendessen gerne bei uns in Vecsés. Auf diese Art und Weise bot sich vielen die Möglichkeit, Vecsés kennen zu lernen. So fuhren die später gezielt nach Vecsés kommenden Besucher nicht mehr an einen unbekannten Ort.
Nach dreijähriger Bekanntschaft kam es zur offiziellen Unterzeichnung der Partnerschaftsbeziehungen. Im Mai 1993 nahmen an der Feier im „Gazdakör“ auch Herr Géza Hambuch, der Vorsitzende des Verbandes der Ungarndeutschen und Herr Josef Aufricht Beauftragter der Deutschen Botschaft in Ungarn teil.
Nach der Unterzeichnung erweiterte sich der Kreis der miteinander Kontakt Haltenden.
Der Rheinstettener Kirchenchor nahm auch an einer Rundreise in Ungarn teil. Vecsés besuchten sie ebenfalls. Zu dieser Zeit entfalteten sich die Beziehungen zwischen der Kirchengemeinde St. Martin am Rhein und der Altpfarrei in Vecsés. In Rheinstetten wurden Kleiderspenden gesammelt, die dann in der Vecséser Kirchengemeinde an Bedürftige ausgeteilt wurden. Zum anlässlich des Kirchweihfestes am Martinitag veranstalteten Bazar werden jedes Jahr junge Vecséser Sänger/innen, Tänzer/innen und Musiker eingeladen. Dieser Brauch hält bis heute an.
Schüler und ihre Lehrer, die in Schulen unterrichten, wo das Deutsche als Nationalitätensprache vermittelt wird, nehmen am Austausch mittlerweile auch teil. Die Zahl der Familien, die einander gegenseitig besuchen und die miteinander in ständigem persönlichem Kontakt stehen, nimmt ebenfalls zu.
Im Jahre 1997 haben wir das 200-jährige Jubiläum der Kirchengemeinde gemeinsam begangen. Beide Ortschaften haben ihre Stadterhebungsfeste in der Anwesenheit einer Delegation aus der Partnerstadt gefeiert. Am 10. Jahrestag der offiziellen Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages legten wir im Rahmen einer Ausstellung über all das gemeinsam Erlebte Rechenschaft ab. Mit Bildern und Dokumenten beschworen wir den zurückgelegten Weg herauf. Unsere Gäste haben an der Ausstellung Gefallen gefunden, so wurde uns die Möglichkeit angeboten, sie im Herbst in Rheinstetten zu veranstalten.
Heute sind schon das Vecséser Krautfest und das Forchheimer Dorffest ohne den gegenseitigen Besuch von Delegationen undenkbar. Neben den privaten Beziehungen bestehen natürlich auch zwischen den Selbstverwaltungen beider Ortschaften rege Kontakte. Ein überzeugender Beweis dessen ist es, dass diejenigen, die sich um das gegenseitige Kennenlernen bemühen und sich viel für die Vertiefung der Freundschaft engagierten, sowohl in Rheinstetten als auch in Vecsés mit offiziellen Auszeichnungen anerkannt werden.
Der größte Ertrag der nun in ihr 18. Lebensjahr tretenden Partnerschaft ist es, dass sie der Pflege der Nationalitätenkultur einen neuen Schwung gegeben hat. Die Kenntnis der deutschen Sprache ist wertvoller geworden. Ich bin mir dessen sicher, dass sie auch zur Stärkung unserer Identität beigetragen hat. Natürlich haben sich die Partnerschaftsbeziehungen auf eine jede Schicht der Stadtbevölkerung positiv ausgewirkt. Es ist ein grundlegend anderes Erlebnis, irgendwo als Tourist hinzukommen, als Familien kennen zu lernen und von ihnen für kürzere oder längere Zeit herzlich aufgenommen zu werden.
Mihály Frühwirth